Dienstag, 8. März 2016

Der Bär ist los oder doch Bärenjagd?



Ein Kommentar zum Vortrag des Russland-Experten der „Deutschen Welle“, Andrey Gurkov am 07.03.2016 in Dortmund.



Als ich nach einer weiteren Russland-Reise und zahlreichen Gesprächen, die dem kulturellen Austausch dienen sollten, wieder in der Heimat war, erfuhr ich von dieser Veranstaltung und empfand es als sehr interessant an dem Thema anzuknüpfen und zu hören, wie der interkulturelle Dialog in Deutschland geführt werden wird.

Zunächst eine kurze Beschreibung zur Person des Referenten. Andrey Gurkov wurde 1959 in Moskau geboren und wuchs in Ostberlin und Bonn auf. Nach dem Studium der Journalistik an der Moskauer Lomonossow-Universität kam er 1987 zur Wochenzeitung „Moskowskije Nowosti“, die damals ein Vorreiter der Glasnost-Politik war. Er wurde Chefredakteur der deutschen Ausgabe dieser Zeitung, die von 1988 bis 1993 als „Moskau News“ in Köln herausgegeben wurde. Seit 1993 ist Herr Gurkov Russland-Experte bei der „Deutschen Welle“ in Bonn. So die Vorstellung der Auslandsgesellschaft Nordrhein-Westfalen.

Zur Veranstaltung ging ich sehr unvoreingenommen. Es galt sich überraschen zu lassen, zumal ich so kurzfristig keine Zeit fand zu recherchieren. Wobei ich zugeben muss, dass etwas Hoffnung, vielleicht auch ein Wunsch mitschwang, dass dieser Abend ein Beitrag zu den deutsch-russischen Beziehungen sein wird. Der Saal war gefüllt, das Publikum war überwiegend im mittleren Alter.


Sehr schnell wurde ich aber desillusioniert und mir wurde klar, in welche Richtung der Vortrag mündet. Herr Gurkov sprach in erster Linie von den Verfehlungen der russischen Politik und kritisierte die geopolitischen Ambitionen Russlands. Nicht zuletzt ging es auch um die Anexion der Halbinsel Krim 2014.
Er widmete auch einen beachtlichen Teil seines Vortrags der russischen Propaganda und dem russischen Nationalismus.
Bis dahin, alles Themen, die einer Kritik würdig sind. Doch besonders unangenehm wurde es, als Herr Gurkov behauptete, der Kreml und die Russen, also die Bevölkerung wünschten sich einen neuen Kalten Krieg. Diesen Wunsch begründete er mit einer ideologischen innenpolitischen Stärkung. Da ich selbst Kontakte nach Russland pflege und wie erwähnt soeben aus diesem Land kam, war diese Aussage für mich völlig unbegreiflich, da ich eine solche Position der Russen nicht beobachten konnte.
Die Ausführungen des Russland-Experten gipfelten in der Behauptung, die Modernisierung durch die Perestroika in den 1990er Jahren lieferte eine Verbesserung für Land und Bevölkerung. Offenbar erlebte Herr Gurkov diese Zeit nicht in Russland oder sonst irgendwo im postsowjetischen Raum. Tatsächlich war es die Zeit, in der die Oligarchie und Korruption ein unvorstellbares Ausmaß annahmen. Die staatlichen Strukturen funktionierten so gut, wie gar nicht. Die organisierte Kriminalität übernahm das Gewaltmonopol. Menschen hungerten teilweise, bis schließlich 1998 der Zenit dieser Entwicklungen mit einer Staatspleite erreicht wurde. Damit zu argumentieren, dass die Menschen aber mehr Freiheit genossen und es Importwaren in den Ladenregalen gab, ist purer Zynismus. Was nützt mir Freiheit, wenn ich um mein Überleben fürchten muss? Was nützen mir volle Ladentheken, wenn ich kein Geld habe um etwas zu essen zu kaufen?
Eine Verbesserung der Lebenssituation erfolgte erst in den 2000er Jahren. Das Argument war wieder, dass die Basis für diese Verbesserung der Wandel der 90er bildete. In der Realität aber hat man statt angekündigter Veränderungen einen Scherbenhaufen hinterlassen und erst mit den Reformen  Putins gab es einen tatsächlich positiven Wandel, der bis heute, wenn auch langsam, fortschreitet.

Nicht zuletzt hat Gurkov auch die russische Bevölkerung kritisiert und beleidigt. Nach seiner Darstellung sind die Russen nicht fähig Fehler anzuerkennen, suchen die Schuld immer bei anderen und verfallen der religiösen „Magie“, sind also nicht in der Lage die Realität anzuerkennen. Er sprach außerdem vom „Hass“ der Russen gegen den Westen, was ich wiederum nicht bestätigen kann. Dabei sollte man nicht vergessen, dass er selbst Russe ist.





Zu Beginn des Vortrages hat sich Herr Gurkov als „Brückenbauer“ bezeichnet, jemand der versucht zu vermitteln und einen interkulturellen Dialog anzuregen. Während des gesamten Abends ist jedoch keine einzige positive Anmerkung über Russland oder die Russen gefallen. Nichts kann so weit von „Brücken bauen“ entfernt sein, als diese Form von einseitiger Information. Auch wenn dieser Mann reichlich von russischer Propaganda sprach, ist Propaganda genau das, was er an diesem Abend veranstaltet hatte.
Es ist zutiefst enttäuschend, gar frustrierend, dass vermutlich die meisten aus dem Publikum nun ein weitaus schlechteres Bild von Russland haben, das so der Realität nicht entspricht. Diese Menschen  wollten informiert werden, stattdessen wurde ein Feindbild indoktriniert.



Wenn man also die internationalen Beziehungen verbessern will, dann auf gar keinen Fall mit dieser Polemik. Oder man schreibt sich nicht die Rolle zu, die Andrey Gurkov für sich beansprucht, sondern offen sagt, welche Antipathie man dem Land und dem Volk entgegenbringt. 


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