Ein
Kommentar zum Vortrag des Russland-Experten der „Deutschen Welle“, Andrey Gurkov am 07.03.2016 in Dortmund.
Als ich nach einer weiteren
Russland-Reise und zahlreichen Gesprächen, die dem kulturellen Austausch dienen
sollten, wieder in der Heimat war, erfuhr ich von dieser Veranstaltung und
empfand es als sehr interessant an dem Thema anzuknüpfen und zu hören, wie der
interkulturelle Dialog in Deutschland geführt werden wird.
Zunächst eine kurze
Beschreibung zur Person des Referenten. Andrey Gurkov wurde 1959 in Moskau
geboren und wuchs in Ostberlin und Bonn auf. Nach dem Studium der Journalistik
an der Moskauer Lomonossow-Universität kam er 1987 zur Wochenzeitung
„Moskowskije Nowosti“, die damals ein Vorreiter der Glasnost-Politik war. Er
wurde Chefredakteur der deutschen Ausgabe dieser Zeitung, die von 1988 bis 1993
als „Moskau News“ in Köln herausgegeben wurde. Seit 1993 ist Herr Gurkov
Russland-Experte bei der „Deutschen Welle“ in Bonn. So die Vorstellung der
Auslandsgesellschaft Nordrhein-Westfalen.
Zur Veranstaltung ging ich sehr
unvoreingenommen. Es galt sich überraschen zu lassen, zumal ich so kurzfristig keine
Zeit fand zu recherchieren. Wobei ich zugeben muss, dass etwas Hoffnung,
vielleicht auch ein Wunsch mitschwang, dass dieser Abend ein Beitrag zu den
deutsch-russischen Beziehungen sein wird. Der Saal war gefüllt, das Publikum
war überwiegend im mittleren Alter.
Sehr schnell wurde ich aber desillusioniert
und mir wurde klar, in welche Richtung der Vortrag mündet. Herr Gurkov sprach
in erster Linie von den Verfehlungen der russischen Politik und kritisierte die
geopolitischen Ambitionen Russlands. Nicht zuletzt ging es auch um die Anexion
der Halbinsel Krim 2014.
Er widmete auch einen beachtlichen Teil
seines Vortrags der russischen Propaganda und dem russischen Nationalismus.
Bis dahin, alles Themen, die einer Kritik
würdig sind. Doch besonders unangenehm wurde es, als Herr Gurkov behauptete,
der Kreml und die Russen, also die Bevölkerung wünschten sich einen neuen
Kalten Krieg. Diesen Wunsch begründete er mit einer ideologischen
innenpolitischen Stärkung. Da ich selbst Kontakte nach Russland pflege und wie
erwähnt soeben aus diesem Land kam, war diese Aussage für mich völlig
unbegreiflich, da ich eine solche Position der Russen nicht beobachten konnte.
Die Ausführungen des Russland-Experten
gipfelten in der Behauptung, die Modernisierung durch die Perestroika in den
1990er Jahren lieferte eine Verbesserung für Land und Bevölkerung. Offenbar
erlebte Herr Gurkov diese Zeit nicht in Russland oder sonst irgendwo im postsowjetischen
Raum. Tatsächlich war es die Zeit, in der die Oligarchie und Korruption ein unvorstellbares
Ausmaß annahmen. Die staatlichen Strukturen funktionierten so gut, wie gar
nicht. Die organisierte Kriminalität übernahm das Gewaltmonopol. Menschen
hungerten teilweise, bis schließlich 1998 der Zenit dieser Entwicklungen mit
einer Staatspleite erreicht wurde. Damit zu argumentieren, dass die Menschen
aber mehr Freiheit genossen und es Importwaren in den Ladenregalen gab, ist
purer Zynismus. Was nützt mir Freiheit, wenn ich um mein Überleben fürchten
muss? Was nützen mir volle Ladentheken, wenn ich kein Geld habe um etwas zu
essen zu kaufen?
Eine Verbesserung der Lebenssituation
erfolgte erst in den 2000er Jahren. Das Argument war wieder, dass die Basis für
diese Verbesserung der Wandel der 90er bildete. In der Realität aber hat man
statt angekündigter Veränderungen einen Scherbenhaufen hinterlassen und erst
mit den Reformen Putins gab es einen
tatsächlich positiven Wandel, der bis heute, wenn auch langsam, fortschreitet.
Nicht zuletzt hat Gurkov auch die russische
Bevölkerung kritisiert und beleidigt. Nach seiner Darstellung sind die Russen
nicht fähig Fehler anzuerkennen, suchen die Schuld immer bei anderen und
verfallen der religiösen „Magie“, sind also nicht in der Lage die Realität
anzuerkennen. Er sprach außerdem vom „Hass“ der Russen gegen den Westen, was
ich wiederum nicht bestätigen kann. Dabei sollte man nicht vergessen, dass er
selbst Russe ist.
Zu Beginn des Vortrages hat sich Herr Gurkov
als „Brückenbauer“ bezeichnet, jemand der versucht zu vermitteln und einen
interkulturellen Dialog anzuregen. Während des gesamten Abends ist jedoch keine
einzige positive Anmerkung über Russland oder die Russen gefallen. Nichts kann
so weit von „Brücken bauen“ entfernt sein, als diese Form von einseitiger
Information. Auch wenn dieser Mann reichlich von russischer Propaganda sprach,
ist Propaganda genau das, was er an diesem Abend veranstaltet hatte.
Es ist zutiefst enttäuschend, gar
frustrierend, dass vermutlich die meisten aus dem Publikum nun ein weitaus
schlechteres Bild von Russland haben, das so der Realität nicht entspricht.
Diese Menschen wollten informiert
werden, stattdessen wurde ein Feindbild indoktriniert.
Wenn man also die internationalen Beziehungen
verbessern will, dann auf gar keinen Fall mit dieser Polemik. Oder man schreibt
sich nicht die Rolle zu, die Andrey Gurkov für sich beansprucht, sondern offen
sagt, welche Antipathie man dem Land und dem Volk entgegenbringt.
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