Montag, 9. Mai 2016

Siegestag in Moskau. Zwischen Militarismus und gelebter Geschichte.


Zum nun 71sten mal wird in Russland der Sieg über Nazideutschland mit einer Militärparade in Moskau gefeiert. Solche Paraden finden allerdings nicht nur in der russischen Hauptstadt statt, sondern auch in vielen anderen Großstädten innerhalb der ehemaligen Sowjetunion. Diese sind fester Bestandteil des Tages des Andenkens.

Zunächst einmal, warum ist dieser Tag in Russland ein Feiertag? 


Russland, bzw. die Sowjetunion hatte die meisten Opfer aller Kriegsparteien im Zweiten Weltkrieg erlitten. Insgesamt 27 Mio. Menschen, wobei die Anzahl der Soldaten und Zivilisten etwa gleich groß ist.  Dabei lebten zum Anfang des Krieges etwa 200 Mio. Menschen in der Sowjetunion. Das bedeutet, dass nahezu jeder Siebte während dieses Krieges starb. In Russland sagt man, "jede Familie hat ihren Helden", weil tatsächlich vermutlich jede Familie einen oder mehrere Angehörige im Krieg verlor. Die Gefechte wurden über den längsten Zeitraum auf sowjetischen Gebiet ausgetragen. Die erbittertesten Schlachten, wie Kurst, Stalingrad, die Schlacht um Moskau oder die Blockade von Leningrad haben sich in das kollektive Gedächtnis der Russen eingeprägt.
Das erringen dieses Sieges, der mit der bedingungslosen Kapitulation des Dritten Reiches am 08 Mai 1945 erlangt war, war mit kolossalen Anstrengungen und Verlusten verbunden. Um diesen Einsatz zu würdigen, der Opfer zu gedenken und zu mahnen, so etwas nicht noch einmal zuzulassen, ist dieser Tag einer der wichtigsten russischen Feiertage. Ein Feiertag mit "Tränen in den Augen". Und von überall hört man die Rufe, "Danke!"

Die Sicht des Westens


Nun versteht man in der westlichen Welt nicht, warum die Russen nun seit 71 Jahren so ein Spektakel um diesen Tag machen. Die Militärparade wird häufig als ein Ausdruck von Militarismus interpretiert. Dem kann man einerseits zustimmen, besonders während des Kalten Krieges war es eine gute Möglichkeit neue Waffensysteme zu präsentieren und sowohl im Inneren als auch nach außen die Schlagkraft zu präsentieren.  Allerdings muss man auch sagen, die Ursache dieses Feiertags ist ein Krieg, und so liegt es in der Natur des Ganzen, dass man nur durch die Leistungen der Ingenieure, der Arbeiter und Soldaten den Sieg erringen konnte.

Ein weiteres Problem ist, dass in der westlichen Öffentlichkeit die Bedeutung der West-Alliierten im zweiten Weltkrieg zu sehr überschätzt wird und die der Sowjets als zu gering eingeschätzt, wie eine Umfrage bestätigt. Während Frankreich nach etwa 6 Wochen kapitulierte und die Westfront unter den USA und Briten erst im Sommer 1944 eröffnet wurde, befand sich die Sowjetunion von 1941 bis 1945 in ständigen Kampfhandlungen überwiegend auf eigenem Gebiet.
Die Art der Kriegsführung an Ost- und Westfront, wie die gesetzten Ziele Nazi-Deutschlands unterschieden fundamental. Mit dem "Plan Ost" wurde eine teileweise Entvölkerung für den sogenannten "Lebensraum im Osten" umgesetzt. Die Übrigen Indigenen sollten und wurden buchstäblich versklavt. Derartige Ausprägungen der Nazi-Strategie waren in Kerneuropa nicht vorgesehen. Vielmehr wurden an der Ostfront freiwillige Verbände aus Frankreich, Rumänien, Tschechien, Kroatien, Niederlanden, Spanien und Ungarn primär für den Terror gegen die sowjetische Zivilbevölkerung eingesetzt.

Keine Angst vor russischem Militarismus


Dieser Tag ist also von entscheidender Bedeutung für das russische kulturelle Selbstbewusstsein. Er erinnert an die Heldentaten der Großväter und Großmütter und ermahnt dazu aus der Geschichte zu lernen.
Im letzten Jahr fand bei der Parade in Moskau sogar eine interessante Neuerung statt. Es sind nämlich Truppenverbände aus China und Indien mitmarschiert.
Es werden zahlreiche Staatsoberhäupter zu diesem Ereignis eingeladen, auch die Bundeskanzlerin. Angela Merkel blieb im letzten Jahr aber der Parade fern und legte am Tag darauf einen Kranz am Grab des unbekannten Soldaten nieder.
Eine positive Überraschung war auch am 08.05.16 ein Facebookbeitrag der SPD zum Tag der Befreiung. Beiträge dieser Art sind sehr selten.

Seit 2012 gibt es in Russland eine neue, sehr interessante Tradition an diesem Tag. Die Aktion "бессмертный полк" (bessmertnyj polk), was soviel bedeutet, wie "das unsterbliche Regiment", begann mit etwa 6000 Teilnehmern in Tomsk und wurde bereits 2015 in 500 Städten Russlands und insgesamt 15 Ländern durchgeführt. Dabei findet ein Marsch von Angehörigen gefallener Soldaten statt, wobei sie die Portraits ihrer "Großväter" auf Plakaten durch die Stadt tragen. Diese Aktion traf auf sehr große Zustimmung und wird dieses Jahr auch in Teilen Deutschlands durchgeführt.














Es ist also zu sagen, dass nur solange Traditionen gewahrt bleiben und die Geschichte in den Köpfen der Menschen lebendig bleibt, lassen sich die Fehler vergangener Generationen gemeinsam vermeiden.



Mein riesiger Dank gilt den Menschen, die unter unschätzbarem Einsatz ihrer Kräfte und ihres Lebens dazu beitrugen den Faschismus zu besiegen und den Frieden in der Welt herzustellen.