Montag, 8. August 2016

Fair Game: Von der Jagd um Medaillen zur Beschneidung der Konkurrenz





Die Olympischen Sommerspiele haben nun begonnen. Allerdings haben sie diesmal einen sehr unangenehmen politischen Beigeschmack.  Die Rede ist vom russischen Dopingskandal, der in aller Munde ist und die Spiele selbst zu überschatten scheint.

Ein beachtlicher Faktor für diese Entwicklung sind die Recherchen und der Film des deutschen Sportjournalisten Hajo Seppelt. Seppelt unterstellt den Russen systematisches, staatlich verordnetes Doping ihrer Sportler. Sogar auf einen möglichen Mord eines potenziellen russischen Whistleblowers spielt er an. Die Frage lässt man offen, aber ein Eindruck bleibt (die  Russen scheinen Leute, die Ihnen nicht passen zu ermorden).


Die Indizien
 
Die russischen Sportler werden hauptsächlich durch Aussagen dreier Zeugen belastet. Der russischen Leichtathletin Julia Stepanova und ihres Ehemannes sowie des russischen Sportarztes Grigorij Rodchenkov. Dabei sind diese Zeugen höchstzweifelhaft. Julia Stepanova wurde in Russland des Dopings überführt und disqualifiziert. Erst daraufhin begann sie mit Ihren „Enthüllungen“ und floh mit ihrem Mann, einem ehemaligen Angestellten der russischen Antidopingagentur RUSADA, aus Russland. Die dritte Figur ist Grigorij Rodchenkov, ein Arzt und ehemaliger Vorsitzender des Moskauer Antidopinglabors. Rodchenkov wurde von den russischen Behörden verdächtigt seine Stellung zu persönlichem Vorteil zu missbrauchen. Ihm wurde vorgeworfen Sportler zu erpressen, um die Dopingkontrollen sauber zu überstehen.  Doch nach diesen Vorwürfen wechselte er die Seiten, begann gegen den russischen Sport öffentlich zu wettern und floh in die USA.

Wir stellen also fest, dass die Kronzeugen dieser Untersuchungen alles andere als sauber und glaubwürdig sind und persönliche Motive haben dem russischen Sport und Staat aus der Absicht einer Art Vergeltung zu schaden.

Das Medikament

Ein weiterer Punkt ist das Dopingmittel Meldonium, was definitiv ein Dopingmittel ist. Es ist ein Herzpräparat, das in Osteuropa hergestellt wird, bei gesunden Menschen leistungssteigernd wirkt und überwiegend von osteuropäischen Athleten genutzt wird. Das Problem hierbei ist nur der Zeitpunkt, zu dem es auf die Dopingliste kam. Erst im Januar 2016 wurde das Mittel verboten. Ein halbes Jahr vor den Olympischen Spielen. Dabei weiß man nicht genau, wie lange dieses Medikament nachgewiesen werden kann. Das bedeutet, dass die Athleten, die es in Gebrauch hatten möglicherweise nach dem rechtzeitigen Absetzen trotzdem positiv getestet werden könnten.


Die Strafen

Besonders grotesk ist aber die Kollektivstrafe, die die russischen Leichtathleten traf. Dies entspricht ganz und gar nicht dem olympischen Geist. Es ist vollkommen richtig unsaubere Athleten zu sperren. Eine komplette Leichtathletikmannschaft zu sperren ist hingegen ungerecht. Es wäre durchaus möglich gewesen alle zu testen. Denn auch beim IOC sollte gelten, „im Zweifel für den Angeklagten“, solange nicht die Schuld bewiesen ist. Unter den russischen Sportlern war auch Elena Isinbaeva, die Weltrekordhalterin im Stabhochsprung, die in Ihrer gesamten Karriere nie negativ aufgefallen ist.

Auch das ständige Hinhalten, die zusätzlichen Tests und öffentlich breit getretene Skandale sind für die sauberen, zugelassenen Sportler eine zusätzliche psychische Belastung. Das Thema wird medial so behandelt, dass der Eindruck entsteht Russland sei das einzige Land mit einem Dopingproblem und, nahezu alle russischen Athleten seien gedopt. Doch das entspricht keinesfalls den Tatsachen. Das Problem bei diesen Spielen ist nun mal, dass alle Kritik sich ausschließlich gegen Russland richtet. Man diskutiert warum eine in der Vergangenheit positiv getestete russische Schwimmerin nicht auch gesperrt wurde, während beispielsweise die Teilnahme des 2013 positiv getesteten Jamaikaners und Teamkollegen des  legendären Usain Bolt, Asafa Powell nicht in Frage gestellt wird. Dabei rückt der Sport selbst in den Hintergrund.



Die Folgen

Im Großen und Ganzen scheint die Arbeit der WADA kein bisschen Objektivität erahnen. Es wirkt alles zu politisch. Die Kollektivstrafen werden weiter verhängt, nun gegen das gesamte russische Paralympische Team (endgültige Entscheidung des IPC noch ausstehend).
Die Folge dessen ist, dass der Sport selbst auf der Strecke bleibt, die Fairness sowieso. Alle Sportler werden eines fairen und ganzheitlichen Konkurrenzkampfes beraubt wenn einige der stärksten Athleten fehlen. Die Medaillen, für die die Sportler so hart arbeiten müssen werden durch die Politik entwertet.  

Montag, 9. Mai 2016

Siegestag in Moskau. Zwischen Militarismus und gelebter Geschichte.


Zum nun 71sten mal wird in Russland der Sieg über Nazideutschland mit einer Militärparade in Moskau gefeiert. Solche Paraden finden allerdings nicht nur in der russischen Hauptstadt statt, sondern auch in vielen anderen Großstädten innerhalb der ehemaligen Sowjetunion. Diese sind fester Bestandteil des Tages des Andenkens.

Zunächst einmal, warum ist dieser Tag in Russland ein Feiertag? 


Russland, bzw. die Sowjetunion hatte die meisten Opfer aller Kriegsparteien im Zweiten Weltkrieg erlitten. Insgesamt 27 Mio. Menschen, wobei die Anzahl der Soldaten und Zivilisten etwa gleich groß ist.  Dabei lebten zum Anfang des Krieges etwa 200 Mio. Menschen in der Sowjetunion. Das bedeutet, dass nahezu jeder Siebte während dieses Krieges starb. In Russland sagt man, "jede Familie hat ihren Helden", weil tatsächlich vermutlich jede Familie einen oder mehrere Angehörige im Krieg verlor. Die Gefechte wurden über den längsten Zeitraum auf sowjetischen Gebiet ausgetragen. Die erbittertesten Schlachten, wie Kurst, Stalingrad, die Schlacht um Moskau oder die Blockade von Leningrad haben sich in das kollektive Gedächtnis der Russen eingeprägt.
Das erringen dieses Sieges, der mit der bedingungslosen Kapitulation des Dritten Reiches am 08 Mai 1945 erlangt war, war mit kolossalen Anstrengungen und Verlusten verbunden. Um diesen Einsatz zu würdigen, der Opfer zu gedenken und zu mahnen, so etwas nicht noch einmal zuzulassen, ist dieser Tag einer der wichtigsten russischen Feiertage. Ein Feiertag mit "Tränen in den Augen". Und von überall hört man die Rufe, "Danke!"

Die Sicht des Westens


Nun versteht man in der westlichen Welt nicht, warum die Russen nun seit 71 Jahren so ein Spektakel um diesen Tag machen. Die Militärparade wird häufig als ein Ausdruck von Militarismus interpretiert. Dem kann man einerseits zustimmen, besonders während des Kalten Krieges war es eine gute Möglichkeit neue Waffensysteme zu präsentieren und sowohl im Inneren als auch nach außen die Schlagkraft zu präsentieren.  Allerdings muss man auch sagen, die Ursache dieses Feiertags ist ein Krieg, und so liegt es in der Natur des Ganzen, dass man nur durch die Leistungen der Ingenieure, der Arbeiter und Soldaten den Sieg erringen konnte.

Ein weiteres Problem ist, dass in der westlichen Öffentlichkeit die Bedeutung der West-Alliierten im zweiten Weltkrieg zu sehr überschätzt wird und die der Sowjets als zu gering eingeschätzt, wie eine Umfrage bestätigt. Während Frankreich nach etwa 6 Wochen kapitulierte und die Westfront unter den USA und Briten erst im Sommer 1944 eröffnet wurde, befand sich die Sowjetunion von 1941 bis 1945 in ständigen Kampfhandlungen überwiegend auf eigenem Gebiet.
Die Art der Kriegsführung an Ost- und Westfront, wie die gesetzten Ziele Nazi-Deutschlands unterschieden fundamental. Mit dem "Plan Ost" wurde eine teileweise Entvölkerung für den sogenannten "Lebensraum im Osten" umgesetzt. Die Übrigen Indigenen sollten und wurden buchstäblich versklavt. Derartige Ausprägungen der Nazi-Strategie waren in Kerneuropa nicht vorgesehen. Vielmehr wurden an der Ostfront freiwillige Verbände aus Frankreich, Rumänien, Tschechien, Kroatien, Niederlanden, Spanien und Ungarn primär für den Terror gegen die sowjetische Zivilbevölkerung eingesetzt.

Keine Angst vor russischem Militarismus


Dieser Tag ist also von entscheidender Bedeutung für das russische kulturelle Selbstbewusstsein. Er erinnert an die Heldentaten der Großväter und Großmütter und ermahnt dazu aus der Geschichte zu lernen.
Im letzten Jahr fand bei der Parade in Moskau sogar eine interessante Neuerung statt. Es sind nämlich Truppenverbände aus China und Indien mitmarschiert.
Es werden zahlreiche Staatsoberhäupter zu diesem Ereignis eingeladen, auch die Bundeskanzlerin. Angela Merkel blieb im letzten Jahr aber der Parade fern und legte am Tag darauf einen Kranz am Grab des unbekannten Soldaten nieder.
Eine positive Überraschung war auch am 08.05.16 ein Facebookbeitrag der SPD zum Tag der Befreiung. Beiträge dieser Art sind sehr selten.

Seit 2012 gibt es in Russland eine neue, sehr interessante Tradition an diesem Tag. Die Aktion "бессмертный полк" (bessmertnyj polk), was soviel bedeutet, wie "das unsterbliche Regiment", begann mit etwa 6000 Teilnehmern in Tomsk und wurde bereits 2015 in 500 Städten Russlands und insgesamt 15 Ländern durchgeführt. Dabei findet ein Marsch von Angehörigen gefallener Soldaten statt, wobei sie die Portraits ihrer "Großväter" auf Plakaten durch die Stadt tragen. Diese Aktion traf auf sehr große Zustimmung und wird dieses Jahr auch in Teilen Deutschlands durchgeführt.














Es ist also zu sagen, dass nur solange Traditionen gewahrt bleiben und die Geschichte in den Köpfen der Menschen lebendig bleibt, lassen sich die Fehler vergangener Generationen gemeinsam vermeiden.



Mein riesiger Dank gilt den Menschen, die unter unschätzbarem Einsatz ihrer Kräfte und ihres Lebens dazu beitrugen den Faschismus zu besiegen und den Frieden in der Welt herzustellen. 


Dienstag, 29. März 2016

ExoMars 2016 - Die Forschung als effektives Mittel zur Völkerverständigung



Am 14. März 2016 um 10:31 deutscher Zeit startete vom Weltraumbahnhof Baikonur in der kasachischen Steppe eine historische Mission. Zum ersten mal seit dem US-amerikanischen Viking-Programm in den 1970er Jahren soll auf dem Mars aktiv nach Spuren von Leben gesucht werden. Zuletzt untersuchte das Mars Science Laboratory mit dem Rover Curiosity, inwieweit sich der Mars als Biosphäre eignet. Letztere ist weiterhin aktiv.

Der Start erfolgte planmäßig. Um 10:31 (9:31 UTC) startete die Proton-M Rakete. Nach 10 Minuten wurde die dritte Stufe abgetrennt und um 21:13 wurde auch der Beschleunigungsblock abgetrennt, sodass das Modul mit den Geräten seine etwa siebenmonatige Reise zum Mars selbstständig fortsetzt.

Ziel der Mission ist die aktive Suche nach früherem oder jetzigem Leben auf unserem Nachbarplaneten. Da auf dem Mars Spuren von Methan gefunden wurden, welche von Lebewesen stammen könnten, gilt es nun deren Ursprung festzustellen. Dazu wird der ExoMars-Rover, der 2018 folgen soll Bohrungen bis zu einer Tiefe von zwei Metern durchführen und anschließend untersuchen.
Es ist auch geplant Proben zur Erde zurückzuführen, was einen technologischen Meilenstein darstellen würde.



Das bemerkenswerte an dieser Mission neben dem wissenschaftlichen Aspekt ist allerdings die Tatsache, dass es sich um ein gemeinsames Projekt der russischen Raumfahrtagentur ROSKOSMOS und der europäischen ESA handelt. Die NASA ist im Jahr 2011 aus diesem Projekt ausgestiegen.
Während es politisch um die Beziehungen zwischen Russland und der EU nicht sehr gut aussieht, hat das der Forschung glücklicherweise nicht sehr geschadet.

Während die Proton-M Rakete, die Oberstufe Bris-M und die Landeplattform in Russland entwickelt und gebaut wurden, stammen der ExoMars-Rover, ExoMars Trace Gas Orbiter und der Lander Schiaparelli von europäischen Unternehmen, wie zum Beispiel dem in Frankreich sitzenden Thales Alenia Space.

Die Kosten für diese Mission betrugen bisher 1,3Mrd € für die Europäer und 1,25Mrd € für die Russen.

Deutschland spielt bei diesem Projekt selbstverständlich eine  entscheidende Rolle. Überwacht wird das ganze vom Europäischen Raumflugkontrollzentrum der ESA in Darmstadt.


Solche Projekte sind nicht nur wichtig, um als Menschheit mehr über unser Universum und unsere Umgebung außerhalb des eigenen Planeten zu erfahren, sondern auch um irdische Differenzen zu überwinden und zu erkennen, dass gewisse Problemstellungen nur gemeinsam und im Dialog bewältigt werden können. Die Forschung sollte der Politik in mancher Hinsicht als positives Beispiel dienen und aufzeigen, wie nationale Unterschiede überwunden werden können, um konstruktiv zu agieren.

ESA ExoMars
ROSKOSMOS ExoMars

Dienstag, 8. März 2016

Der Bär ist los oder doch Bärenjagd?



Ein Kommentar zum Vortrag des Russland-Experten der „Deutschen Welle“, Andrey Gurkov am 07.03.2016 in Dortmund.



Als ich nach einer weiteren Russland-Reise und zahlreichen Gesprächen, die dem kulturellen Austausch dienen sollten, wieder in der Heimat war, erfuhr ich von dieser Veranstaltung und empfand es als sehr interessant an dem Thema anzuknüpfen und zu hören, wie der interkulturelle Dialog in Deutschland geführt werden wird.

Zunächst eine kurze Beschreibung zur Person des Referenten. Andrey Gurkov wurde 1959 in Moskau geboren und wuchs in Ostberlin und Bonn auf. Nach dem Studium der Journalistik an der Moskauer Lomonossow-Universität kam er 1987 zur Wochenzeitung „Moskowskije Nowosti“, die damals ein Vorreiter der Glasnost-Politik war. Er wurde Chefredakteur der deutschen Ausgabe dieser Zeitung, die von 1988 bis 1993 als „Moskau News“ in Köln herausgegeben wurde. Seit 1993 ist Herr Gurkov Russland-Experte bei der „Deutschen Welle“ in Bonn. So die Vorstellung der Auslandsgesellschaft Nordrhein-Westfalen.

Zur Veranstaltung ging ich sehr unvoreingenommen. Es galt sich überraschen zu lassen, zumal ich so kurzfristig keine Zeit fand zu recherchieren. Wobei ich zugeben muss, dass etwas Hoffnung, vielleicht auch ein Wunsch mitschwang, dass dieser Abend ein Beitrag zu den deutsch-russischen Beziehungen sein wird. Der Saal war gefüllt, das Publikum war überwiegend im mittleren Alter.